Haushaltsrede 2022

Am 26. Oktober hielt Stadtrat Frank Mailänder die Haushaltsrede für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Gemeinderat und brachte die Anträge der GRÜNEN ein. Zu den Anträgen

26.10.21 –

Haushaltsrede

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete,
sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte,
sehr geehrte Gäste


Letztes Jahr wurde in den Haushaltsberatungen unserem Antrag stattgegeben, einen Doppelhaushalt einzuführen. Dies wird ab 2023 sein und somit haben wir nun unseren letzten einjährigen Haushalt vorliegen. Es ist gleichzeitig unser zweiter Haushalt unter Corona-Bedingungen. Am 27. Januar 2020 wurde der erste Fall in Deutschland bekannt, niemand wusste, was auf uns zukommt. Mittlerweile haben wir ein wenig gelernt damit umzugehen und erahnen welche finanziellen Folgen die Pandemie hat. 

Uns wird ein Haushalt vorgestellt, der auf „Kaiser-typischen“ konservativen Zahlen beruht. Zumindest unserem Gefühl nach tendiert Stadtkämmerer Tobias Kaiser dazu, die Einnahmeseite eher pessimistisch in dem unteren Bereich anzusiedeln. Der OB ist ihm bis zur letzten Klausurtagung darin gefolgt.
Das vermutete Defizit für 2022 ist auf mehr als 17 Millionen Euro angesetzt. Wenn wir nun davon ausgehen, dass Herr Kaiser mit seinen Zahlen recht hat, und Gott sei Dank hatte er das im positiven Sinn bisher oft nicht gehabt, so fressen wir unsere Rücklagen innerhalb kürzester Zeit auf. 
Rein hypothetisch: Würden wir sofort sämtliche Hochbaumaßnahmen stoppen, so könnten wir doch tatsächlich eine schwarze 0 erreichen. Kein neues Rathaus in Echterdingen, keine Feuerwehr und DRK in Stetten, keine Erweiterungen der Goldwiesenschule und der Zeppelinschule, keine Sanierung Schönbuchschule, keine Digitalisierung der Ludwig-Uhland-Schule, kein Jugendhaus, kein Hallenbad, um nur einige der Maßnahmen zu benennen, die davon betroffen wären. Und diese Maßnahmen möchte doch kein Mensch von der Liste streichen!

Die Stadt erwirtschaftet eigentlich, außer in den paar fetten Jahren vor Corona, die Ausgaben des Ergebnishaushaltes nicht mehr (also auch die Abschreibungen).
Bei 17 Millionen Defizit helfen auch keine Einspardiskussionen oder Steuererhöhungen, bei denen ein paar Tausend Euro rausgeholt werden, denn allein 88 Millionen Euro auf der Ausgabenseite werden durch 2 Positionen bestimmt, Personalkosten und Umlagen. 
Theoretisch müssten wir ein Drittel der Personalkosten reduzieren (was ja auch kein Mensch will und kann).
Aber da gibt es ja noch die als „Allheilmittel“ propagierte Gewerbesteuer: Bei geschätzten 34 Millionen Gewerbesteuereinnahmen müssten wir – ebenfalls theoretisch -unsere Gewerbeflächen um 50% erhöhen, um das Defizit von 17 Millionen Euro auszugleichen. Dies würde etwa 62 Hektar an Flächenneuausweisungen entsprechen. Aber bis die Gewerbeflächen so halbwegs ihre Investitionen eingespielt haben, wird unser Haushalt schon längst überschuldet sein.  
Prinzipiell krankt doch das ganze kommunale Finanzsystem. Wenn selbst eine relativ gesunde Stadt wie L-E schon Probleme hat, wie ergeht es da erst den strukturschwächeren Kommunen in der Bundesrepublik?
Es ist doch zwecklos, irgendwelche marginalen Einsparungsideen zu entwickeln, um den Haushalt zu entlasten, wenn wir bei dem übriggebliebenen letzten Drittel nahezu keine effizienten Hebel mehr haben. Den größten positiven Effekt der letzten Jahre hatten wir tatsächlich durch den Rückkauf des Strom- und Gasnetzes. Das Ganze gestaltet sich doch irgendwie wie ein Kampf gegen Windmühlen.
Die eine oder andere Gewerbegebietsausweisung hilft da tatsächlich nur marginal weiter, zumal sich die Einnahmequellen Gewerbesteuer und Einkommensteuer in der Höhe immer mehr angleichen. Also sollte man das Augenmerk verstärkt auf Wohnbebauung richten, zumal die Einkommensteuereinnahmen deutlich weniger schwanken und dadurch kalkulierbarer sind. Bei unserem Siedlungsdruck schlagen wir damit auch 2 Fliegen mit einer Klappe. Alle, die in unserer Stadt wohnen, versteuern ihr Einkommen hier.

Die Grünen sehen momentan nur eine Möglichkeit, die „echte“ Verschuldung weiter hinauszuzögern, indem wir uns, und das klingt im ersten Moment paradox, tatsächlich verschulden. Unter echten Schulden verstehen wir die Schulden, denen kein Gegenwert gegenübersteht. Wir sollten daher die noch existierende Niedrigzinsphase nutzen und Neubauprojekte, bzw. größere Sanierungen über Fremdmittel finanzieren, so dass wir die Rücklagen für den Ausgleich des Ergebnishaushaltes einsetzen können. Bei der Fremdfinanzierung von Großprojekten erhalten wir eben diesen Gegenwert, so dass sich das Ganze buchhalterisch die Waage hält. Wir Grünen sind auch der Meinung, dass das Hallenbad an die Stadtwerke überschrieben werden soll. Die Bereiche Wasser und Energie sind bei den Stadtwerken angesiedelt und somit sollte auch das Hallenbad thematisch dort angesiedelt sein. Dadurch wird das Hallenbad auch im Stadtwerkehaushalt weitergeführt und die Defizite können über den steuerlichen Querverbund abgemildert werden. Leonberg hat diesen Schritt zum Beispiel letztes Jahr durchgeführt. Zu den Stadtwerken komme ich gleich nochmal.    

Ein nicht zu unterschätzter Kostenfaktor in Zukunft wird der Klimawandel sein, daher bitten wir um eine Untersuchung und finanzielle Abschätzung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Stadt. Eine der vielen Möglichkeiten, die eine Kommune hat, dem Klimawandel entgegenzuwirken, sind zukunftsorientierte Bebauungspläne, die dem Klimaschutz gerecht werden. Photovoltaikpflicht, Gebäudeausrichtung, Quartierwärmeversorgung, grüne Lungen/Pflanzgebote, Wasserzisternen, energetische/ökologische Bauweise, um nur einige Einflussfaktoren in der Festsetzung der Bebauungspläne zu nennen. Wir müssen dringend unsere alten Bebauungspläne auf Vordermann bringen, um eine verträgliche Nachverdichtung zu ermöglichen. 
Ebenso müssen wir unsere zunehmend ältere Bevölkerung noch besser integrieren. Senioren-WGs und Mehrgenerationenwohnen sind die Schlagwörter. 
Barrierefreiheit in der Stadt ist ein Muss. Dies bezieht sich nicht nur auf Rampen an den Rathäusern, oft sind so „Kleinigkeiten“ wie ein Busfahrplan, der nicht mehr gelesenen werden kann oder unebene Flächen, die zum Rolatorkiller werden (Musterbeispiel ist das Pflaster in Echterdingen ums Backhäusle), erhebliche Hindernisse für unsere älteren Mitbewohner. Wir sind uns bewusst, dass die Stadt einiges schon angegangen ist, trotzdem möchten wir, dass dieses Thema zusammen mit dem Stadtseniorenrat und Fachleuten aktiver angegangen wird und kontinuierlich begleitet wird.  

Nochmal zu den Stadtwerken: Sie sind schon ein starker Partner der Stadt im Kampf gegen den Klimawandel. Aber da geht noch mehr. Wir haben bereits das Go für eine aktivere Photovoltaikpolitik erteilt, wir hoffen, dass diese Entscheidung nun allmählich Früchte trägt. Leider fehlt uns in jeglicher Hinsicht eine Übersicht oder ein Monitoring, das uns den Fortschritt darstellt. In der Nahwärmeversorgung erhoffen wir uns noch weitere Umsetzungen, insbesondere in den neuen Wohngebieten. 
Wärmeversorgung, Stromerzeugung und Digitalisierung sind Investitionen, die sich tragen werden, dies sind Investitionen in die Zukunft. Der Aufbau des Glasfasernetzes ist momentan noch kostenträchtig, wird aber mittelfristig eine stabile Einnahmequelle werden, die wie die Übernahme des Strom- und Gasnetzes eine wichtige Stütze für den steuerlichen Querverbund für die defizitären Bereiche wie Parkierung und hoffentlich bald Hallenbad sein wird. Zugegeben, man braucht einen langen Atem, es wird sich aber auszahlen. 

Bauchweh bereitet wie immer das diesmal besonders hohe Defizit aus der Parkierung, das nur bedingt aufgefangen werden kann. Die Sanierung des P+R Parkhauses in Echterdingen schlägt mit über 3 Millionen Euro zu Buche. Das ist ein sehr teures Stadtmarketing, aber auch eine notwendige Maßnahme, um das Umsteigen vom Auto auf die S-Bahn oder die U-Bahn zu erleichtern.

Zusätzlich sollten wir die Chance ergreifen, mit einer Einmalinvestition nachträglich noch eine Haltestelle Erlenbrunnen am Streckenast der U6 einzurichten, der schon im Dezember in Betrieb gehen wird. Die Beteiligung am Betrieb der Strecke muss mit der SSB AG im Vorfeld geklärt werden, Die schon bestehende neue Haltestelle Stadionstraße geht in die Berechnungen ein, wie ein jährliches Betriebsdefizit aufgeteilt wird. 
Um ein Defizit so gering wie möglich zu halten, bewirbt die Stadt Leinfelden-Echterdingen die Linien U6 Flughafen/Messe und U5 Leinfelden aktiv und erhöht dadurch das Fahrgastpotential. Je höher die Fahrgeldeinnahmen, desto niedriger der Abmangel. 
Über allem Engagement für die Linie U6 wollen wir den Streckenast der Linie U5 nicht vergessen, der von der neuen Haltestelle Jugendhaus Leinfelden Mitte nach Echterdingen verlängert werden soll. Die Grünen gehen davon aus, dass Gemeinderat und Verwaltung dies weiterhin befürworten und unterstützen. Auch eine kurze Querverbindung über das SSB-Zentrum nach Möhringen und Vaihingen wäre eine sinnvolle Erweiterung des Netzes.

Zum Thema Digitalisierung: In der Gemeinderatssitzung im September haben wir alle dem Beitritt zur Kooperationsrahmenvereinbarung zwischen der Gigabitregion Stuttgart und der Telekom zugestimmt. Wohlgemerkt in der Erwartung, dass unsere Stadtwerke selber grasen und nicht der Bock zum Gärtner gemacht wird! Wir wollen daran festhalten, dass die Stadtwerke LE den Glasfaserausbau der Gewerbebetriebe und Schulen vorantreiben. Die Telekom will sich auf Wohngebiete beziehen. Bis 2030 sollen 90% aller Haushalte an einem Glasfaseranschluss angebunden sein. Das klingt erst mal gut, aber sofort fällt ins Auge, dass da 10% fehlen. Wir befürchten, dass diese 10% bereits die weißen Felder sind, die heute schon existieren. In der heutigen Arbeitswelt, mit Homeoffice, die zunehmenden Serviceleistungen im Internet wie z.B. ärztliche Ferndiagnosen, Smart-home-Lösungen und vieles mehr, reicht ein DSL-Anschluss mit 6 oder 16mbit einfach nicht mehr aus. Wir werden es nicht akzeptieren, dass sich die Telekom die Rosinen herauspicken wird, die heutigen 50 oder 100mbit Anschlüsse auf Gigabit umstellt und der Rest bleibt weiter im „weißen“ Loch hängen. Wir fordern, dass eben die weißen Flecken zuerst angegangen werden, dort Anschlüsse zur Verfügung gestellt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden. Ein 100mbit Anschluss hat Zeit, da ist keine Not.   

Zum Abschluss noch ein zwei Anträge zu Biodiversität und ÖPNV:
2020 hat Heilbronn ein Agrarumweltprogramm aufgesetzt, das wir uns gerne als Vorbild zu eigen machen und daher ein Ackerrandstreifenprogramm aufsetzen möchten. Ziel ist es, einen Beitrag zur Extensivierung und Ökologisierung der Landwirtschaft zu erreichen, die Schaffung ökologischer Ausgleichsräume, Landschaftselemente und Biotope, den Schutz typischer Arten der offenen Agrarlandschaft, die Erholungsvorsorge in einer vielfältigen Kulturlandschaft und Erosionsschutz. Einen entsprechenden Antrag haben wir dazu eingereicht.

Ebenso beantragen wir an den jährlichen Adventssamstagen und weiteren Aktions-Samstagen und -Sonntagen im Jahr zur Stärkung der Ortszentren einen kostenfreien ÖPNV auf dem Gebiet des bereits eingerichteten Stadttickets.

Ich schließe mit einem Dank an unseren vorsichtigen Kämmerer, dessen Amt den Entwurf erstellt hat und fasse für uns zusammen, dass wir meinen, investieren zu müssen, um zukünftige Schulden abbezahlen zu können. Dass wir uns da auch nach der letzten Klausurtagung einig finden mit dem OB stimmt uns zuversichtlich für die Haushaltsberatungen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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