Haushaltsrede 2021

Stadtrat David Armbruster hielt am 15. Dezember 2020 die Haushaltsrede für unsere Fraktion im Gemeinderat. Die Anträge zum Haushalt lesen Sie hier.

15.12.20 –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Klenk,

sehr geehrte Frau Erste Bürgermeisterin Noller,

sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Kalbfell,

sehr geehrte Ratsmitglieder,

sehr geehrte Jugendgemeinderätinnen und Jugendgemeinderäte,

sehr geehrte Damen und Herren,

das Jahr 2020 neigt sich zu Ende und wird als Corona-Jahr in Erinnerung bleiben. Es war ein schwieriges Jahr, das sowohl unsere Verwaltung, aber auch uns Kommunalpolitiker*innen vor eine neue Herausforderung gestellt hat. Die Pandemie und ihre Folgen werden uns wohl oder übel weiter begleiten. In den nächsten Jahren werden die laufenden Ausgaben steigen und manche Einnahmen zurückgehen und sich wieder auf ein Maß einpendeln wie nach der Bankenkrise vor zwölf Jahren. Die außerordentlich hohen Gewerbesteuereinnahmen der Jahre 2016/17/18 und 2019 helfen uns jetzt und sind komplett verplant. Der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer steigt nach den Prognosen unseres Kämmerers weiter deutlich an und bleibt damit nicht nur die konstantere Einnahmequelle, sondern es könnte sogar sein, dass sie perspektivisch zum größten Ertragsposten im Ergebnishaushalt wird, noch vor den Anteilen der Gewerbesteuer. An dieser Stelle möchte ich allen Menschen danken, die in dieser schweren Zeit aufopferungsvoll zum Wohle unserer Bevölkerung gearbeitet und gehandelt haben. 

Bereits im Sommer des Corona-Jahres hat die Große Kreisstadt Leinfelden-Echterdingen ihren Haushaltsplan nachjustiert und einen Nachtragshaushalt auf den Weg gebracht. Unterstützungsprogramme für die Kommunen konnten eingearbeitet werden. Leinfelden-Echterdingen verwaltet sich gut selbst und wird, wie alle Gemeinden, darin vom Land und Bund unterstützt. Wir Grüne wollen die Mittel so einsetzen, dass es zusammen mit den eigenen Ersparnissen von Leinfelden-Echterdingen möglichst lange reicht. Und wir Grüne wollen diese Entwicklung langfristig und nachhaltig anlegen. Es werden Projekte zu Ende gebracht und neue angefangen, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Wir sollten gemeinsam versuchen, die Finanzierung der folgenden Jahre einerseits herkömmlich zu denken: Die Liquiditätsreserve soll zum Ausgleich des laufenden Haushalts reichen. Andererseits wissen wir seit fünf Jahren, dass die Ausgewogenheit der kommunalen Aufwendungen und Erträge nach dem neuen Haushaltsrecht wesentlich schwieriger zu erreichen ist. Wir können ruhig Vernünftiges wagen, denn Stillstand ist nicht angesagt. 

Aber was ist vernünftig? Bis neue Gewerbegebiete entwickelt und aufgesiedelt sind, vergeht nicht nur sehr viel Zeit. Auch planerische Arbeit in der Verwaltung und viel Geld müssen zunächst investiert werden, bevor der erste Steuer-Euro fließt. Arbeiten dann irgendwann Menschen in diesen neuen Gebieten, werden sie entweder einpendeln oder hier Wohnraum suchen. Mehr Verkehr und neue Wohngebiete würden als Folge wiederum Flächen benötigen. Um die danach benötigte Infrastruktur für noch mehr Einwohnerinnen und Einwohner (z.B. Schulen und KiTas) betreiben und finanzieren zu können, würde erneut mehr Verwaltungsarbeit und noch mehr Geld benötigt. Es müsste dann wieder ein neues Gewerbegebiet geplant werden, um mehr Gewerbesteuer einzunehmen. Die letzten Jahrzehnte wurde so gedacht und gehandelt. Die gesamte Region - und mit ihr unsere Stadt - wuchs rasant. Mit dabei die Landesmesse und der Landesflughafen auf unserer Gemarkung. Wachstum in allen Bereichen.

So dreht sich die Spirale immer weiter und frisst dabei auch noch Filderboden. Stopp! Neuausrichtung: Corona als Chance für Gemeinwohlökonomie!

Die vorhandenen Steuereinnahmen zusammen mit den Ersparnissen mutig und intelligent einsetzen, Vernünftiges wagen und dabei stets am Allgemeinwohl orientiert sein. Stillstand ist nicht angebracht und auch nicht nötig. Die Vision ist: Sicherung der Ertragslage ohne grenzenloses Wachstum in der Fläche.

Intelligente Veränderung von innen heraus in den Bereichen Gebäude, Arbeit, Verkehr und Wohnen. Intelligentes Wachstum im Sinne von Erneuerung und Veränderung im Bestand. Dabei ist ein verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen zwingend erforderlich. Auch nach Corona hat die Menschheit nur diese eine Erde. Wir werden uns in den kommenden Jahren noch dringender und intensiver als zuvor mit dem Klimaschutz beschäftigen müssen.

     Wir fordern eine PV-Pflicht für alle Gebäude in LE

     Wir unterstützen den Aufbau von Quartiers- und Gebäudespeichern

     Wir wollen Chancen der Stadtwerke nutzen. Zusammenspiel aller Gebäude mit den Stadtwerken betreffend Speicher und Erzeugung.

Das Wachstum der letzten Jahrzehnte sorgte auch für einen größer werdenden städtischen Gebäudebestand, dessen Pflege inzwischen eine Daueraufgabe ist. Bevor neue Gebäude dazu kommen, müssen Hausaufgaben erledigt werden. Sanierungen der Rathäuser, Turnhallen und Schulen sind überfällig, teilweise immerhin schon begonnen, jedoch längst nicht abgeschlossen. Ein gelungenes Beispiel für ein städtisches Gebäude ist die Umnutzung und Renovierung des Hallenbads Echterdingen in das Walter-Schweizer-Kulturforum, wobei hier die PV-Anlage fehlt. Beim Gartenhallenbad Leinfelden steht nun der Neubau an und wie der Neubau der Stadtwerke soll es ein Gebäude werden, bei dem der Betrieb intelligent mitgedacht wird, von der Heizzentrale bis zum Kassensystem. Auch die weiteren zu sanierendem städtischem Gebäude und Wohnungen müssen ressourcenschonend zukunftstauglich gestaltet werden. 

Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt bereits vor Corona verändert, der Druck beim Ausbau der Digitalisierung innerhalb der Verwaltung und den Schulen hat nochmals stark zugenommen. Man nutzt inzwischen Computer, seit Kurzem auch das Internet. Manche möchten beides sogar in Schulen verwenden. Die Entwicklung von 1980 bis zur Jahrtausendwende war schon berauschend. Aus damaliger Sicht. Die letzten 20 Jahre waren um das zigfache rasanter. Und was passiert bis zum Jahr 2040? Unser Leben ist „smart“ geworden. Von der smarten Watch bis zum smarten Home. Auch das Arbeiten und Lernen wird immer smarter, die persönliche Anwesenheit dabei immer unwichtiger. Bestehende Gewerbegebiete werden sich verändern. Man wird über immer mehr Umnutzungen nachdenken müssen, wodurch weiterer Flächenverbrauch vermieden werden kann. Mehr Erwerbsfläche pro Bodenfläche ist die Vision. Als Beispiel die Veränderung des Brixner Geländes hin zu „Vision One. Ein einstöckiger Flächenbetrieb (Autohandel und Reparatur) wurde ersetzt durch ein 5-stöckiges Konzept. Nur wenn wir öökologische Aspekte und Nachhaltigkeit in unserem Wirtschaftssystem einbeziehen, können wir eine lebensfähige Kommune in einer lebenswerten Welt erhalten. 

Wenn wir Kommunikation von physischer Präsenz und Mobilität entkoppeln, fallen vor allem im beruflichen Bereich viele Wege weg. Auch das autonome Fahren wird im Zuge der Digitalisierung kommen, spätestens wenn die Maschine so gut und intelligent ist, dass sie für die KFZ-Versicherungen ein geringeres Risiko als der Mensch darstellt. Dann wird das Selbst-Lenken richtig teuer. Einige Fachleute prognostizieren sogar, dass in Zukunft weniger Straßen ausreichen, um den Verkehr zu bewältigen. Selbst wenn wir die B27 nicht gleich auf eine Spur je Fahrtrichtung zurück bauen, so darf sie keinesfalls um je eine Spur erweitert werden. Ebenso ist die Nord-Süd-Straße aus unserer Sicht weiterhin komplett in Frage zu stellen. Wir freuen uns auf eine neue Haltestelle der Stadtbahn Linie U6 hinter dem Rewe-Markt, wollen aber die Weiterführung der Linie U5 nach Echterdingen auch wiederhaben. Zweifelsohne müssen bestehende Straßen saniert werden. Und zwar so, dass das Automobil nicht mehr im Vordergrund steht. Alle Verkehrsarten müssen gleichberechtigt mitgedacht und mitgeplant werden. Weniger Auto-Verkehr heißt nicht zwangsläufig weniger Mobilität. Mobilität wird unaufhaltsam smart und damit vernetzt. Leinfelden-Echterdingen muss eine Stadt der kurzen und attraktiven Wege sein. Wer viel und gern zu Fuß unterwegs ist, bleibt auch mal an einem Schaufenster stehen und besucht das Ladengeschäft. Wer im Auto an Schaufenstern vorbei fährt, schaut nicht hinein. Und besucht das Ladengeschäft nicht. Weniger Parkplätze für Stehzeuge ermöglichen mehr Aufenthaltsqualität im Außenbereich. Ruhebänke, Trinkbrunnen, Barrierefreiheit, kleinere Spielbereiche oder öffentliche selbstreinigende Toiletten könnten an derer Stelle Platz finden. 

Aus unserer Sicht ist auch die Schaffung weiteren Wohnraums im Außenbereich auf den Prüfstand zu stellen. Vor der Pandemie war es auch unser großer Wunsch, durch mehr bezahlbaren Wohnraum dem Verkehrsdruck und damit auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken zu können. Wie bereits erläutert, sind die Faktoren Arbeit und Verkehr schneller denn je im Wandel und die Parameter der Bevölkerungsvorausberechnung verändern sich. Wohnortnahe Co-Working-Spaces lassen sich auch im ländlichen Raum realisieren, so denn ein schnelles Internet vorhanden ist. Auch Studentinnen und Studenten müssen nicht mehr zwingend in Hochschulnähe wohnen. Nicht nur das Gewerbe, auch Wohnraum im Außenbereich der Siedlungen frisst Fläche. Entscheidend ist es, im Innenraum intelligent nachzuverdichten. Es gilt Quartiere im Innenbereich so weiterzuentwickeln, dass sie für alle Generationen attraktiv sind. Auch geteilter Wohnraum muss mitgedacht werden. Es gibt immer mehr Gruppen, die Mehrgenerationenhäuser mit vielen Gemeinschaftsräumen bauen wollen, aber keinen Bauplatz dafür finden. Häuser mit intelligenten Grundrissen, die sich im Lauf der Zeit leicht verwandeln und damit an veränderte Nutzungen anpassen lassen sind zukunftstauglich und damit nachhaltig. 

Wir können das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen, einige Projekte hinterfragen und auf den Prüfstand stellen. Wenn neue Gewerbe- und Wohngebiete mit der dazugehörenden Erschließung wegfallen, werden Kapazitäten frei, den Sanierungsstau gründlich und zügig abzuarbeiten. Wir beantragen daher erneut eine Vertiefung ins Neue Kommunale Haushaltsrecht mit dem Ziel, Schlüsselprodukte zu definieren und Projekte unter den veränderten Rahmenbedingungen neu zu priorisieren. Ebenfalls beantragen wir erneut die Einführung eines Doppelhaushaltes mit zwei Jahren Laufzeit, um die Verwaltung und das Gremium zu entlasten. Hier geht es um planerische Intelligenz und personelle Ressourcenschonung. 

Nicht das Heft, vielmehr das Buch des Handelns hat die EU in der Hand. Sie kann Grenzwerte festlegen, die Industrie und Kommunen zum Handeln zwingen. Die EU als universelle Institution kann globale Probleme angehen. Wir beantragen daher, dass die Verwaltung eine(n) Europa-Beauftragte(n) ernennt, angesiedelt bei der Wirtschaftsförderung. Die Europäische Union setzt nicht nur Grenzwerte oder erteilt Auflagen. Es werden Förderprogramme für Kommunen aufgelegt, aus denen sich Honig für die eigene Stadt saugen lässt. Auch manche Personalstellen sind förderfähig. Darüber hinaus ist es wichtig, den „europäischen Gedanken“, also die positive Haltung zur EU in der Bevölkerung zu fördern und voranzubringen. 

CO2-Einsparungen und dazugehörige Vorschriften können ebenfalls von der EU erlassen werden. Wir können darauf vorbereitet sein, wenn LE zur „Solar-City“ wird. Wir beantragen eine Photovoltaik-Pflicht für allen neuen Gebäuden. Andere Städte sind diesen Weg bereits gegangen. Durch vorgeschriebene Regenrückhalteanlagen sind Neubauten bereits Teil des kommunalen Abwassersystems und helfen dezentral der Allgemeinheit. Durch verbindlich vorgeschriebene PV-Anlagen werden Neubauten auch Teil der dezentralen Stromversorgung und leisten einen Beitrag zur Energiewende. Bis 2040 müssen alle städtischen Gebäude CO2-neutral betrieben werden. Daher ist ein Ausbau dringend geboten. Photovoltaik ist wesentlicher Bestandteil der Stromerzeugung. Sie ist schnell und einfach realisierbar und mittlerweile auch kostengünstig. Zur dezentralen Stromerzeugung gehören Speicher. Durch Photovoltaik und dazu passende Speicher haben wir die Möglichkeit, den Energiebezug von Gebäuden deutlich zu senken, was weniger Investition für den Leitungsausbau bedeutet. Auch die Mobilitätswendewird dadurch vorangetrieben, da E-Autos dezentral an der eigenen oder quartierseigenen Photovoltaik-Tankstelle geladen werden können. 

Das Corona-Jahr kann auch als eine Chance gesehen werden. Alles kann noch mal auf den Prüfstand, alles darf auch noch mal von einer anderen Seite beleuchtet werden. Es ist klar geworden, wie schnell sich das Leben verändern kann und wie flexibel wir mit neuen Herausforderungen umgehen müssen.

Mit Mut, Intelligenz und Weitblick möchten wir unsere Zukunft für die nachfolgenden Generationen grün und damit nachhaltig gestalten. 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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